Warum Möhrchen kein Futter sind

Warum Möhrchen kein Futter sind

Zugegeben, dieser Titel ist recht reißerisch, schließlich sind Karotten für Kaninchen natürlich nicht giftig oder ähnliches. Ebenfalls gelten sie als DIE Leibspeise für Kaninchen schlechthin, egal ob zu Bugs Bunny oder irgendeinem anderen Symbolbild für Kaninchen: die Möhre ist dabei!

Nun ist es aber tatsächlich so, dass die Möhre als Wurzelgemüse weder besonders geeignet ist, noch bei Kaninchen die sich in der Natur ernähren einen bedeutungsvollen Anteil der Ernährung ausmachen würde. Kaninchen zählen zu den Hebivoren, sind also auf pflanzliche Kost angepasst. Interessant ist aber, dass Kaninchen sich innerhalb der Pflanzenfresser zu einer Gruppe der Blattspitzenfresser spezialisiert haben, sie sind bestens angepasst auf die Aufnahme und Verdauung frischer blättriger Strukturen. Schlicht erkennt man schon hier: das Möhrengrün ist für die Kaninchen als Nahrung viel bedeutsamer und passender, als die Karotte an sich. Warum das so ist und welche Hintergründe es gibt, erläutern wir in diesem Artikel.

Kalorien und Zucker

Häufig wird von der übermäßigen Ernährung mit Karotten und Knollengemüse deshalb abgeraten, weil der Zuckergehalt sehr hoch sei. Tatsächlich ist der Gehalt an Zucker in Möhre und Co. nur unwesentlich höher als beispielsweise in jungem Löwenzahn (als Extrem herausgepickt, eine vielfältige Mischung ist zuckerärmer). Spannend ist hier viel eher, dass Wurzelgemüse eine andere Struktur haben. Für den menschlichen Verzehr herausgezüchtete Gemüsesorten haben einen vergleichsweisen geringen Anteil an unverdaulichen Pflanzenfasern. Dadurch, dass diese Sattmacher und „Füllmaterialien“ geringer ausgeprägt sind, kann man von Möhre und Co. mehr Menge aufnehmen und kommt dann unterm Strich doch zu einer deutlich erhöhten Energieaufnahme.

Gleichzeitig macht sich der Mangel an Rohfaser an anderen Stellen bemerkbar. Das Verhältnis aus leicht verdaulichen und schwer verdaulichen Bestandteilen ist bei Gemüse und Obst aus dem, für Kaninchen optimalen, Gleichgewicht und führt daher zu Problemen! Hierunter zählen dann auch Fruchtgemüse wie Paprika und Gurke, deren Pflanzenfasergehalt ist für Kaninchen unpassend und die unterschiedliche Verdaulichkeit der verschiedenen Futtermittel (Knollen- und Fruchtgemüse als extrem leicht verdaulich und Heu als sehr rohfaserreich und schwer verdaulich) steht im Verdacht Aufgasungen und ähnliche Beschwerden zu begünstigen. Unter einem zu geringen Faseranteil leidet beispielsweise die Darmbewegung während der hohe Anteil an leicht verdaulichen Kohlehydraten ein Ungleichgewicht der Darmbakterien und die übermäßige Vermehrung von Hefen begünstigt. Die Auswirkungen auf die Verdauung und Gesundheit sind also vielfältig, auch wenn nicht der Energiegehalt per se das Problem ist, sondern vielmehr das Zusammenspiel aus Energiegehalt und Verdaulichkeit.

Der Energiegehalt von frischen Wiesenpflanzen ist nicht zwangläufig geringer als der von Gemüse, allerdings ist die Zusammensetzung der Pflanzen gänzlich anders und daher in der Energiezufuhr- und Verwertung anders zu beurteilen. Heu ist als getrocknetes Grünland folglich ebenfalls gehaltvoll und durch das fehlende Wasser wird die Energie natürlich stark konzentriert konsumiert, weshalb sich Heu als „Diätmittel“ ebenso wenig eignet wie leicht verdauliches Gemüse.

Futteraufnahme

Bei der Futteraufnahme, definiert durch die Menge, die ein Tier in einer gewissen Zeit frisst, gibt es ebenfalls bedeutsame Unterschiede, die vor Augen führen, warum Tiere, die mit Gemüse ernährt werden eher zu Übergewicht neigen, als die, die vor der – ja ebenfalls gehaltvollen – Wiese sitzen.

Für eine bestimmte Energieaufnahme müssen Kaninchen bei blättriger Kost deutlich mehr Zeit aufwenden und haben hierbei ebenfalls eine höhere Kaufrequenz. Das Fressen benötigt also Zeit und ist  „anstrengender“. Hieraus ergibt sich ein völlig logischer Zusammenhang, dass die Gesamtenergiezufuhr bei blättriger Kost geringer ausfällt, wenn die Kaninchen gleichviel Zeit und Energie zur Aufnahme investieren. Besonders verhängnisvoll sind auch hier getrocknete/konzentrierte Futtermittel wie getrocknetes Gemüse, getrocknetes Obst und Co. woraus in der Konsequenz sowohl Gewichts- und Verdauungsprobleme als auch Zahnbeschwerden resultieren können, da die Tiere noch kürzer und weniger kauen müssen für einen deutlich höheren Energiegehalt.

Heu als getrocknetes Futtermittel liefert ebenfalls konzentrierte Nährstoffe, muss durch den hohen Rohfaseranteil aber dennoch in großen Mengen aufgenommen werden. Dies geht einher mit ordentlichen Kaufrequenzen – ähnlich wie bei frischer Wiese. Allerdings birgt Heu mannigfaltige Nachteile: Durch den Entzug der Flüssigkeit neigen die Tiere zu starken Nieren- und Harnwegsproblemen, die Flüssigkeit fehlt auch im Darm was beispielsweise Haarballen begünstigt. Ebenfalls liegt bei einer heubasierten Nahrung ein Nährstoffmangel vor. Um alle Nährstoffe annähernd erreichen zu können müsste das Tier zu viel Zeit mit Heufressen verbringen, würde seinen Körper in ein Ungleichgewicht an Mineralien und Wasser bringen.

Nährstoffe

Analysen zeigen, dass die meisten Gemüsesorten einen unzureichenden Gehalt an Nährstoffen haben, wenn man sie im Hinblick auf die Gesunderhaltung von Kaninchen untersucht. Beispielsweise wird ein großer Mangel an Aminosäuren im Gemüse erkenntlich. Ebenfalls enthält eine vielfältige Mischung aus Wiesenkräutern ein deutlich höheres Maß an Vitaminen.

Denkbar wäre nun, dass die Kaninchen diesen zu geringen Anteil an Nährstoffen durchaus bemerken und versuchen es durch Masse auszugleichen. Also mehr fressen, um doch noch eine ausreichende Menge zu erhalten, auch wenn der reine Energiebedarf längst bedeckt ist.

Ein immer wiederkehrendes und sehr präsentes Thema sind die Harnwegserkrankungen, die eng verknüpft mit der Nahrungsaufnahme stehen. Oftmals wird behauptet, dass ein zu hohes Maß an aufgenommenen Mineralien ursächlich für Blasengrieß, Nieren- oder Blasensteine wäre. Studien zeigen aber: dieser Zusammenhang besteht so nicht.

Ausschlaggebend scheint vielmehr das Verhältnis aus Kalzium und Phosphor zu sein, wenngleich natürlich die Wassserzufuhr/der Flüssigkeitsgehalt der Nahrung als extrem wichtiger Faktor, die Oxalsäure und Co. ebenfalls nicht ganz außer Acht gelassen werden. Ist der Phosphorgehalt eines Futtermittels deutlich höher als der Kalziumgehalt, bildeten sich Kristallverbindungen aus. Der Kalziumgehalt an sich war dabei unerheblich, lediglich der dazugehöhrige Anteil des dazugehörigen Phosphors machte den Unterschied.

Als interessantesten Punkt hinsichtlich „Gemüse ja oder nein“ soll hier aufgegriffen werden: Bei Kaninchen mit Blasen- und Nierenleiden wird die strickte Reduktion von Kalzium empfohlen, als Alternative soll viel Saftgemüse angeboten werden. Gurke, Paprika, Tomate, Blattsalate. Keinesfalls Kräuter, Grünkohl oder gar Löwenzahn.

Just diese empfohlenen Pflanzen enthalten aber ein extrem verschobenes Verhältnis an Kalzium und Phosphor: kaum Kalzium, aber ein überproportionaler Anteil an Phosphor. Dieser hohe Anteil führt u.a. dazu, dass gebundenes Kalzium des Körpers gelöst werden kann – Knochen und Zähne leiden! Dies erklärt durchaus, warum trotz radikaler Ernährungumstellung so viele Tiere weiterhin an Blasengrieß leiden und weitere Probleme wie Kiefer- und Zahnprobleme noch hinzukommen.

Fazit

Eine Ernährung, die auf (Knollen-)Gemüse beruht, versagt den Kaninchen überlebenswichtige Nährstoffe, führt ihnen einen zu hohen Phosphorgehalt zu und enthält zu viele leicht verdauliche Kohlehydrate, die bei übermäßigem Verzehr das empfindliche Gleichgewicht der Verdauung empfindlich stören. Ebenfalls ist die Zeit und Kaufrequenz bei der Aufnahme von Gemüse als Ernährung stark reduziert, was zu einem schlechten Zahnabrieb führt.

Die Liste der Nachteile ist also durchaus recht gravierend und sollte uns dazu verleiten diese Nahrungsmittel nur in sehr geringem Maße zu verfüttern. Das gilt natürlich für die frische Variante und noch viel mehr für die getrockneten Varianten, die ein noch ausgeprägteres Maß an Nachteilen haben. Basis sollte bestmöglich eine Mischung aus Wildpflanzen sein. Kräuter, Gräser, Zweige, Blätter. Ergänzend als Highlight dürfen dann kleine Mengen an Obst und Knollen dienen, so wie Wurzeln und Obst saisonal auch einen kleinen Anteil der Ernährung von Wildkaninchen ausmachen. Dies bildet für alle Bedürfnisse und die Gesunderhaltung die beste Grundlage.

Insbesondere im Winter stehen viele Halter natürlich vor einer nicht zu meisternden Herausforderung, wenn man auch dann Frisches aus der Natur bereitstellen müsste. Hier kann es eine Alternative sein Küchenkräuter, Kohlsorten und Bittersalate anzubieten. Zweige von Nadelbäumen (keine Eibe!) sind eine geeignete Ergänzung und immergrün. Ebenfalls ist Bambus eine tolle Futterquelle, die man als Garten- der Balkonbesitzer recht leicht installieren kann. Im Optimalfall sollte diese Auswahl aber tatsächlich nur eine notwendige Alternative für die Zeit sein, in der es für einige Halter partout nicht machbar ist, eine Ernährung mit Naturgrün zu realisieren. Wenn man sich ohnehin in der Alternative befindet, ist es durchaus eine Überlegung wert auf die dann noch schlechteren Bestandteile wie Möhre und Co. lieber ganz zu verzichten, um sich und den Kaninchen das Leben nicht noch schwerer zu machen.

Wichtig ist immer: die Basis sollte unbedingt blättrig sein, um ein optimiertes Maß zwischen Rohfaser, Energie und Nährstoffen zu liefern. Gehaltlose Sorten wie Blattsalate sollten ebenso eher vermieden werden, wie die zu leicht verdaulichen Knollen- und Fruchtgemüse.

Daher: Keine Möhre für Bugs Bunny, aber dafür vielfältiges, frisches Grünfutter!

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